Geschichte International

Nach der Krise: Aufbruch in Norddeutschland

In der Krise des apostolischen Werkes ging die Zahl der aktiven Mitglieder in den vorhandenen Gemeinden auf den Britischen Inseln deutlich zurück. Erst seit 1847 ging es hier wieder aufwärts. Gleichzeitig begann die Arbeit in anderen Ländern – und besonders erfolgreich war sie in Norddeutschland.

Begonnen hatte die Krise, als 1841 zwei Apostel ihre eigenen Wege gingen. Durch Auseinandersetzungen unter den übrigen zehn hatte sie sich verschärft. 1846 endete sie mit einem Kompromiss: Jeder Apostel sollte fortan in seinem Arbeitsbereich tätig werden, wie es ihm richtig erschien. So wurde der Weg für die Versiegelungstätigkeit der Apostel frei.

Belebung nach der Krise

Die Auswirkung der Krise war in England besonders deutlich. 30 Gemeinden hatte es dort 1840 gegeben, die Hälfte wurde 1843 geschlossen. Zehn von ihnen konnten nach 1848 zwar wieder eröffnet werden, aber 40 Prozent der früheren Mitglieder blieb den Gottesdiensten dauerhaft fern. Weitere 20 Prozent kehrten nach und nach zurück. Zwischen 1847 und 1852 versiegelte Apostel Cardale ungefähr 2.300 Erwachsene.

Apostel Drummond versiegelte in Schottland 215 Gläubige, Apostel Armstrong in Irland 140 Gläubige. Auf dem europäischen Kontinent gab es Erfolge in der Schweiz, wo zwischen 1850 und 1852 ungefähr 300 Personen versiegelt wurden. In Frankreich konnten knapp 250 Gläubige versiegelt werden, in Belgien 20, und in Kanada und USA 232.

Vor diesem Hintergrund waren Apostel Thomas Carlyles Erfolge in Norddeutschland bemerkenswert. Allein in den ersten fünf Jahren seiner Versiegelungsarbeit gründete er 17 Gemeinden und versiegelte 1.004 neue Mitglieder.

Grenzen staatlicher Toleranz

In Preußen, dem größten norddeutschen Staat, wurde die Gründung katholisch-apostolischer Gemeinden durch eine vergleichsweise tolerante Kirchengesetzgebung begünstigt. In einem „Patent betreffend die Bildung neuer Religionsgesellschaften“ vom 30. März 1847 bekräftigte König Friedrich Wilhelm IV. seinen Willen, die „Glaubens- und Gewissensfreiheit unverkümmert aufrecht zu erhalten“. Gleichzeitig erlaubte er den Austritt aus der evangelischen und katholischen Kirche und die Gründung neuer „Religionsgesellschaften“. Diese Maßnahme sollte so genannte „Dissidenten“ zum Kirchenaustritt veranlassen und der Landeskirche Ruhe verschaffen.

Die tolerant anmutenden Bestimmungen zogen in der Praxis viele Schwierigkeiten nach sich. Durch Vollzug von Taufen, Trauerfeiern und Hochzeiten und die darüber gemachten Eintragungen in den Kirchenbüchern fungierten die Geistlichen als Vertreter des Staates. Erst 1874 wurde die Registrierung des „Zivilstands“ den Städten und Gemeinden übertragen. 1847 war zwar ein staatliches Meldeverfahren außerhalb der Staatskirche angekündigt worden, aber Ausführungsbestimmungen unterblieben. Vorläufig sollte man kirchliche „Amtshandlungen“ mit Wirkung auf das „bürgerliche“ Leben – also Taufen, Beerdigungen und Eheschließungen – selbst nach Austritt aus der Landeskirche durch einen ihrer Geistlichen vornehmen lassen, „wenn ein solcher sich dazu bereitwillig findet“. Die Geistlichen nahmen dann nicht nur die Registrierung vor, sondern vollzogen auch die im Patent so genannte „Amtshandlung“. Im Falle einer Eheschließung hieß dies, dass auf die Spendung des rechtlich erforderlichen evangelischen Ehesegens noch ein besonderer Segen durch einen katholisch-apostolischen Geistlichen folgte.

Probleme in der Glaubenspraxis

Carl Hennig war ein ehemaliger Schneidergeselle, „welcher sich einen Priester der apostolischen Kirche nennt“. Im schlesischen Ort Buchwäldchen hatte er eine apostolische Gemeinde gegründet. Als er im Spätsommer 1851 heiraten wollte, wurde ihm eröffnet, dass Aufgebot und Trauung in der Landeskirche nur dann möglich sei, „wenn ich meinen Irrthum ablegen, und meiner Mission als irvingianischer Priester entsagen würde, und daß im andern Falle mir nur übrig bleibe, mich von der evangelischen Landeskirche auch äußerlich loszusagen.“ Hennig hielt dagegen: „Weil ich an eine Sammlung, nicht an eine Trennung glaube, bin ich aus der evangelischen Landeskirche, welche dem geheimnisvollen Leibe Jesu Christi angehört, … nicht ausgetreten.“

Zwar wurde Hennigs Trauung um ein Jahr verzögert, aber letztlich mussten die Kirchenbehörden nachgeben. Ähnlich verliefen die Fälle, in denen örtliche Pfarrer Kindern apostolischer Eltern die Taufe verweigern wollten.

Fürsprecher und Gegner

Vertreter der evangelischen Landeskirche waren in ihrer Haltung gegenüber der katholisch-apostolischen Evangelisation gespalten, da diese erreichen wollte, dass sich „wenigstens die frommen und gläubigen Mitglieder“ der Landeskirche der „vollkommeneren apostolischen Kirchenverfassung anschließen“. Einige Berichterstatter in den Kirchenbehörden ließen durchblicken, dass sie die katholisch-apostolische Kritik am Zustand der etablierten Kirchen teilten. Grundsätzlich hielten sie aber daran fest, „daß die evangelische Kirche im Besitze aller der Gnadenmittel ist, derer es zur Seligkeit bedarf, und daß sie daher nicht darauf angewiesen ist, auf neue Apostel und Propheten zu harren.“

Im Februar 1848 wollten die Kirchenbehörden Versammlungen der apostolischen Christen von der Polizei verbieten lassen, aber dazu kam es nicht. Am Nachmittag des 18. März, einem Samstag, waren im Zentrum Berlins heftige Kämpfe zwischen Bürgern und Militär ausgebrochen, die bis zum frühen Sonntagmorgen andauerten. Die Sonntagsgottesdienste fielen aus – bis auf einen. Apostel Carlyle versiegelte am 19. März in einem Hotelsaal 60 Personen. Wer kam, musste über die am Vortag errichteten Barrikaden klettern. Im Gefolge der Revolution wurden die Befugnisse der Polizei eingeschränkt.

Zwar versuchten Behörden in der Provinz noch gelegentlich, durch Verhaftungen und Ausweisungen die Verbreitung der katholisch-apostolischen Lehre zu verhindern, aber ohne Erfolg. Einige gesellschaftlich und politisch einflussreiche Personen – wie der konservative Publizist und Politiker Hermann Wagener – bekannten sich zum katholisch-apostolischen Glauben, und langfristig wirksame Maßnahmen gegen die Verbreitung der Lehre unterblieben. An immer mehr Orten in Preußen blieb die Durchführung der Taufe durch katholisch-apostolische Priester dank einflussreicher Fürsprecher und unterschiedlicher Auslegung der Gesetze straffrei. Apostel Carlyle zögerte nicht, die Priester zum Taufen aufzufordern.

An der Seite des Apostels

Apostel Carlyle hatte seit 1837 bei längeren Aufenthalten in seinem künftigen Arbeitsgebiet die deutsche Sprache gelernt. Mit zwei von ihm verfassten Büchern gelang es ihm, gebildete Adlige und Bürger zu erreichen. Bald war Charles J. T. Böhm sein engster Mitarbeiter. Dieser war als Sohn eines deutschstämmigen Vaters und einer englischen Mutter in Kopenhagen geboren worden und hatte seine verwitwete Mutter 1834 nach London begleitet. Jetzt bereiste er – teils allein, teils gemeinsam mit dem Apostel Carlyle – Norddeutschland als Evangelist. So wurden Kontakte zum Marburger Theologieprofessor Heinrich J. Thiersch hergestellt, der zu den ersten Versiegelten in Deutschland gehörte. Thiersch gab daraufhin seine theologische Professur auf, um der neu gegründeten katholisch-apostolischen Gemeinde in Marburg vorzustehen und außerdem als „apostolischer Hirte“ für den Apostel den Kontakt mit den Vorstehern und Priestern zu pflegen.

Nach damaligem Verständnis mussten Amtsträger durch Propheten „gerufen“ werden. Es blieb allerdings den Aposteln überlassen, ob die Gerufenen auch ordiniert wurden. Apostel Carlyle wurde auf seinen Reisen zunächst von wechselnden Propheten aus dem Kreis der „Sieben Propheten der allgemeinen Kirche“ begleitet. Diese sprachen, anders als der Apostel, kein Deutsch. Seit 1850 war Heinrich Geyer Prophet im Rang eines Priesters und seit 1852 im Rang eines Bischofs („Engel“ genannt) und ständiger Reisebegleiter des Apostels Carlyle. Er hatte nach seiner Hinwendung zum katholisch-apostolischen Glauben seine Stelle als Dorfschullehrer im Königreich Hannover aufgeben müssen und war nach Berlin gezogen, wo er sich mit verschiedenen Schreibarbeiten durchschlug.

Auch zwei ehemalige Pastoren, Carl Rothe und Albert Köppen bekleideten den Bischofsrang. Sie leiteten Gemeinden. Zwar stand Geyer als ehemaliger Dorfschullehrer hinter ihnen an gesellschaftlichem Ansehen zurück. Weil er aber ständiger Reisebegleiter des Apostels wurde und alle neuen Amtsträger prophetisch rief, sah man in ihm eine zentrale Gestalt unter den katholisch-apostolischen Amtsträgern.

Drängen auf schnelleren Fortschritt

Apostel Carlyle hoffte weiterhin auf das ursprünglich erwartete große Werk unter allen Christen. Er sah auch in seinem Arbeitsgebiet, dass er zu katholischen Kreisen fast keinen Zugang fand und kritisierte die eingeschränkte Wirksamkeit seiner Mitapostel. Die Ursache lag für ihn auf der Hand: Die Aussendung in der vollen Kraft des apostolischen Amtes stand noch aus. Eine Apostelversammlung zu Pfingsten 1851 sollte dafür den Weg bereiten.

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