11.01.2024

Austausch und Halt im geschützten Raum einer Gruppe

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In den Trauergesprächskreisen der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland gibt es Hilfsangebote für Menschen, die einen Angehörigen verloren haben.

  • An 16 Standorten in Süddeutschland treffen sich neuapostolische Christen in Trauer.
    < An 16 Standorten in Süddeutschland treffen sich neuapostolische Christen in Trauer. >
  • Ingrid Nüßle ist ehrenamtliche Trauerbegleiterin.
    < Ingrid Nüßle ist ehrenamtliche Trauerbegleiterin. >

Die Welt scheint still zu stehen, wenn man von einem geliebten Menschen Abschied nehmen muss. Doch nach dem Tod beginnt der Prozess des Trauerns, den jeder Mensch auf ganz eigene Weise erlebt und durchlebt. In den Trauergesprächskreisen der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland gibt es Hilfsangebote für trauernde Menschen, zusätzlich zur individuellen Seelsorge in den Kirchengemeinden. Die Trauerbegleiterin Ingrid Nüßle aus Renningen (Kirchenbezirk Sindelfingen) berichtet über ihre ehrenamtliche Arbeit.

„Seit dem Jahr 2011 gibt es in der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland Trauergesprächskreise“, berichtet Ingrid Nüßle. An 16 Standorten, quer über die ganze Gebietskirche verteilt, treffen sich einmal im Monat neuapostolische Christen in Trauer. Im geschützten Raum einer Gruppe finden sie dabei die Möglichkeit zum Gedankenaustausch. Begleitet werden die Trauernden in der Regel von einem dafür geschulten Gesprächsleiter und einem Seelsorger (oftmals einem Geistlichen der Neuapostolischen Kirche im Ruhestand).

2010 wurde ein Konzept entwickelt

Ingrid Nüßle ist seit fast 30 Jahren im ambulanten Hospizdienst tätig. Als Krankenschwester und Intensivpflegerin mit zahlreichen Zusatzausbildungen hat sich die 67-Jährige ihr ganzes Leben lang mit Krankheit und Leid, mit Abschied und Schmerz auseinandergesetzt. 2009 nahm sie an mehreren Qualifikationen zum Thema Trauerbegleitung teil. Auf Initiative von Bezirksapostel Michael Ehrich wurde 2010 in der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland ein Konzept für Trauergesprächskreise entwickelt. Ingrid Nüßle war in dem kleinen Team dabei. Nach einem Pilotprojekt konnten im Jahr darauf 21 neuapostolische Christen für die Aufgabe als Trauergesprächsleiter geschult werden.

Inzwischen haben sich die Trauergesprächskreise etabliert, derzeit arbeiten 31 Personen ehrenamtlich als Gesprächsleiter. Neue Mitarbeiter müssen eine zweitägige Schulung absolvieren, deren Kosten die Kirche trägt. Einmal im Jahr findet ein Erfahrungsaustausch der Trauergesprächsleiter unter fachlicher Supervision statt. Zudem wird alle zwei Jahre eine zweitägige Weiterbildung mit einem externen Referenten angeboten.

Die Hälfte der Teilnehmer ist über 65 Jahre alt

Doch wer nimmt eigentlich an den Trauergesprächskreisen teil? Wie setzen sich die Teilnehmer zusammen? „So facettenreich Trauer ist, so facettenreich sind unsere Teilnehmer“, berichtet Ingrid Nüßle. „In den Gesprächskreisen, die ich begleiten darf, nehmen neuapostolische Christen im Alter zwischen etwa 30 und 85 Jahren teil. Etwa die Hälfte der Teilnehmer ist über 65 Jahre alt“, erzählt die Trauerbegleiterin. Da viele Trauernde kein mittragendes Umfeld haben und vielleicht Enttäuschungen von Freunden oder Kollegen erleben mussten, werde oftmals ein Austausch unter Menschen gesucht, die ebenfalls einen Verlust erleiden mussten, stellt Ingrid Nüßle fest. Mit viel Einfühlungsvermögen gestaltet sie in den Trauergesprächskreisen eine besondere Atmosphäre, damit die Trauernden sich in ihrem Schmerz öffnen und neue Wege finden können.

„Da die Gesprächsleiter oft lange Anfahrtswege haben, sind Interessierte gebeten, sich anzumelden. So findet gleichzeitig schon vor dem ersten Treffen beim Gesprächskreis ein Kontakt statt, sei es per Telefon oder per E-Mail. Das kann den Einstieg erleichtern,“ erzählt die neuapostolische Christin. Sie berichtet, wie ein Trauergesprächskreis in etwa abläuft: „Die Gesprächskreise beginnen und enden mit einem Gebet. Wenn neue Teilnehmer dabei sind, wird auf die Schweigepflicht aufmerksam gemacht. Dann beginnen wir mit einer Runde, mit einer Frage wie ,Was beschäftigt mich gerade am meisten?‘ Oder wir geben einen Stein und eine Feder in die Runde und stellen die Frage ,Was war in den letzten Tagen schwer, was war leicht?‘. Manchmal verwende ich auch eine kleine Holzkugel, die dann die Runde macht. Solange jemand die Kugel in der Hand hält, möchte er etwas sagen. Manchmal erstickt die Stimme beim Erzählen in Tränen. Wenn der Teilnehmer fertig ist, gibt er die Kugel weiter. Wenn der Teilnehmer die Kugel schweigend weitergibt, wissen wir, dass er jetzt nichts sagen möchte. Und das ist völlig in Ordnung.“

Die Gedanken sollen auf das Positive gelenkt werden

Zwar wird für jeden Trauergesprächskreis ein besonderer Themenschwerpunkt vorbereitet, dieser muss aber nicht zum Einsatz kommen, wenn die Trauernden andere Bedürfnisse haben. Ein Thema könnte beispielsweise sein: „Was ist es, das uns traurig macht? Was presst uns Tränen aus?“. Ein Aufsteller weist auf den Bibelspruch aus Psalm 56, Vers 9 hin: „Fasse meine Tränen in deinen Krug. Ohne Zweifel, du zählst sie.“ Die Teilnehmer dürfen aus Papier ausgeschnittene Tränen beschriften und in einen Glaskrug werfen. Im Schlussgebet halten die Trauernden Gott den Krug hin und bitten um seinen Beistand und das Trocknen der Tränen.

Wie die Gedanken der Trauernden auf das Positive gelenkt werden können, erklärt Ingrid Nüßle so: „Ich bitte die Trauernden, jeden Abend eine Sache aufzuschreiben, über die sie sich gefreut haben. Am Wochenende soll das Aufgeschriebene dann gelesen werden. So erkennt man: Auch in dem jetzt so anders gewordenen Leben gibt es noch schöne, erfreuliche Dinge. Denn das wird oft vergessen und vom Leid zugedeckt.“ In ihrer Aufgabe als Gesprächsleiterin sieht sie sich als Moderatorin: „Wichtig ist, dass die Teilnehmer untereinander ins Gespräch kommen und dass wir gemeinsam anschauen, was die Trauernden an Themen mitbringen. Wir können den Menschen ihre Trauer nicht wegzaubern. Wir möchten mit ihnen zusammen Möglichkeiten und Hilfestellungen suchen und finden“, führt die 67-Jährige aus.

Es entstehen Verbindungen und Kontakte

Viele Teilnehmer der Trauergesprächskreise berichten, dass sie am Anfang der Trauer keine Einladung zu Festen annehmen konnten. Später folgten sie Einladungen, weil sie die Gastgeber nicht enttäuschen wollten oder dazu gedrängt wurden. Doch oft hat Ingrid Nüßle erlebt, dass dieselben Teilnehmer nach Wochen oder Monaten erzählten, dass sie zu einem Fest eingeladen waren und die Feier sehr schön war: „Da merkt man, dass sich etwas zum Positiven verändert hat. Solche Prozesse begleiten zu dürfen, sind für uns Trauerbegleiter stärkende und freudige Erlebnisse“, freut sie sich.

Manche Teilnehmer kommen nur ein oder zwei Mal. Oft hat Ingrid Nüßle erlebt, dass Trauernde kamen und endlich einmal aussprechen konnten, was sie sonst nirgendwo getan hätten. Durch das Sprechen hätten sie einen anderen Blick auf die Probleme bekommen und neue Impulse erhalten. Andere Teilnehmer kommen jahrelang in die Trauergesprächskreise, weil ihnen die Begegnungen und Gespräche einfach gut tun: „Wir erleben immer wieder, wie sich die Glaubensgeschwister untereinander wahrnehmen und stärken. Es entstehen auch Verbindungen und Kontakte untereinander. In einem unserer Gesprächskreise hat sich sogar ein Pärchen gefunden“, so die Trauerbegleiterin.

Derzeit sind in der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland 31 Trauerbegleiter aktiv, die meisten sind im Rentenalter. „Es ist nicht so einfach, neue Mitarbeiter zu finden. Doch ich bin zuversichtlich - mein Glaube hilft mir dabei. Ich glaube fest, dass Gott Wege hat, dass auch dieser Dienst zum Segen für unsere trauernden Glaubensgeschwister weiter ausgeführt werden kann“, erzählt Ingrid Nüßle: „Viele Teilnehmer berichten uns, dass der Trauergesprächskreis für sie wie eine Tankstelle ist - Kraftstoff für eine Wegstrecke. Das Vertrauen der Glaubensgeschwister, das Erleben von positiven Entwicklungen, das Erleben erbetener Impulse - all das sind Geschenke für mich und geben Kraft und Freude zur Weiterarbeit!“

Die Termine der Trauergesprächskreise für 2024 finden sich unter www.nak-sued.de/was-wir-tun/beratungsangebote/fuer-trauernde.

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