Geschichte International

Apostelrufungen in Deutschland

Die englischen Apostel hatten sich damit abgefunden, dass sie nur eine kleine Schar für die Entrückung der Erstlinge bereiten würden. Mit ihnen würde das Apostelamt wieder enden, die Kirche durch Erzbischöfe, Erzengel genannt, fortgesetzt werden. 1860 lehnten sie erneut Apostelrufungen ab. Der Prophet Heinrich Geyer, der die Rufungen ausgesprochen hatte, ließ dennoch nicht locker in seinem Drängen nach Einsetzung neuer Apostel.

Parteibildung in Norddeutschland

Als Geyer 1860 aus Albury zurückkehrte, hatte er nicht über seine dortigen Erfahrungen geschwiegen. Als die Engel (Bischöfe) im Dezember den Bericht über die damaligen Weissagungen erhielten, fanden sie darin kein Wort über Apostelrufungen. Aber nicht wenige glaubten Geyers Berichten und teilten seine Enttäuschung. Es entstand ein Kreis von Eingeweihten, die auf neue Apostel warteten. Nicht nur Friedrich Wilhelm Schwarz in Hamburg, auch sein Bruder Gottlieb, Ältester in Berlin, und Max von Pochhammer, der erfolgreichste Evan-gelist in Norddeutschland, gehörten dazu. Mitglieder der Berliner Gemeinde trafen sich unter Geyers Leitung ohne Wissen des Engels Carl Rothe.

Heimliche Apostelrufungen

Mehr noch: Geyer war zu der Überzeugung gekommen, dass Gott sich von den englischen Aposteln abgewandt hatte, weil diese eine Ergänzung ihres Kreises abgelehnt und entsprechende Weissagungen verworfen hatten. Gott habe sich ohne ihr Wissen „zur Seite“ gewandt, „um in Deutschland noch einige Apostel, eine ganz neue Reihe, zu berufen.“

Als er dies schrieb, hatte er aus dem Kreis katholisch-apostolischer Amtsträger bereits mehrere Apostel gerufen, deren Namen bis heute geheim geblieben sind, aber einem engeren Kreis offenbar bekannt waren. In Berlin und an anderen Orten, so Geyer, gebe es viele, „die freudig die jetzt gerufenen Apostel begrüßen.“ Auch die Gerufenen selbst hätten „ihren Beruf als Apostel angenommen“.

Unter diesen Aposteln ist einer, Rudolf Rosochacky, bekannt geworden, weil er im Januar 1863 in Hamburg öffentlich als Apostel auftrat. Ihn rief Geyer am 10. Oktober 1862 im Verlauf einer Reise mit dem Apostel Woodhouse. Während ihres Aufenthalts in Königsberg bezeichnete er am späten Abend in dessen Wohnung den dortigen Ältesten Rudolf Rosochacky als Apostel. Geyer setzte dann die Reise mit Apostel Woodhouse fort als sei nichts geschehen. Sein heimliches Vorgehen rechtfertigte er damit, dass er den rechten Zeitpunkt für ein öffentliches Auftreten des ersten Apostels abwarten und solange Unfrieden in den Gemeinden vermeiden wolle.

Rothe schreitet ein

In der Zwischenzeit war in Berlin der Engel Carl Rothe misstrauisch geworden. Was führte der Engelprophet Geyer im Schilde? Im Rückblick äußerte Rothe sich so: „Da endlich gab eine Weissagung Gelegenheit, dass ich mit ihm sprechen musste. Die Weissagung lautete dahin, dass wir den ... Widerchrist würden erscheinen sehen. Wir sollten nicht erschrecken, er würde in der Gemeinde erkannt werden.“

Der Inhalt knüpfte an die von Apostel Carlyle gelehrte Zukunftserwartung an, widersprach aber der seit 1858 geltenden geänderten Lehre, nach der der Antichrist erst erscheinen würde, wenn die Versiegelten entrückt waren und die siebzig Erzengel die Kirche geleitet hatten. Diese Weissagung äußerte Geyer am 23. November, dem ersten Adventssonntag des Jahres 1862, im Gottesdienst in Berlin. Er wurde, weil er seine Weissagung nicht als falsch anerkennen wollte, durch Rothe von der Ausübung seines Amtes suspendiert. Die Gemeinde wurde darüber am 21. Dezember (dem vierten Adventssonntag) informiert.

Wird „der Bann gelöst“?

Zwei Tage später schrieb Geyer einen Brief an vier Männer im Königreich Hannover. Dort wohnten in der Umgebung von Geyers früherem Wirkungsort die Volksschullehrer Ludwig Kenter, Friedrich Kenter, Wilhelm Kenter und Gottlob Schrader. Sie hatten fünf Jahre in der Gegend Evangelistenarbeit geleistet und waren im August 1861 durch Geyer zum Priesteramt berufen worden. Apostel Woodhouse ordinierte sie aber nicht, weil er sich – anders als Carlyle es häufig getan hatte – an das staatliche Verbot von Gottesdiensten außerhalb der Landeskirche gebunden fühlte.

Der aus Geyers Sicht unbefriedigende Zustand wird in dem Brief angesprochen. Geyer informiert sie über die heimlich gerufenen neuen Apostel und fährt dann fort, dass diese „jetzt bereit“ seien, „als die Schnitter mit ihren Engeln die Ernte zu eröffnen, damit endlich der lange Bann, der Gottes Werk aufgehalten hat, gelöst und die Evangelisten ungehindert freudig ihren Lauf durch alle Lande nehmen mögen.“

Geyer knüpft also an die Lehre an, dass Paulus in seiner Wirksamkeit „gebunden“ gewesen sei und dass dieser „Bann“ durch die Aussendung der Apostel gelöst werden sollte. Hierzu wollte Apostel Carlyle die „heilige Zwölfzahl“ der Apostel wiederhergestellt wissen. Geyer hatte dementsprechend den Versuch der Ergänzung des Apostelkreises fortgesetzt. Als er damit scheiterte, sah er sich von Gott gedrängt, eine neue Zwölferreihe zu rufen.

Den vier berufenen Priestern im Königreich Hannover schrieb er: „Das wird auch für Hannover endlich der Schlüssel der Lösung sein.“ Wie andere Mitwisser von Geyers Aktivitäten blieben auch die Adressaten dieses Briefes Apostel Woodhouse treu. Ihnen wurden bald verantwortungsvolle Aufgaben in Gemeinden außerhalb ihrer Heimat zugewiesen.

Apostel Rosochacky in Hamburg

Anders verlief die Entwicklung in Hamburg. Der dortige Engel, Friedrich Wilhelm Schwarz, der Priester Carl Louis Preuß und einige Diakone reagierten auf die Absetzung Geyers mit einer Einladung an ihn und den Apostel Rosochacky. Apostel Rosochacky erschien am 4. Januar 1863 im dortigen Gottesdienst und die ganze Gemeinde unterstellte sich ihm.

Anscheinend hatten die von Geyer Berufenen damit gerechnet, dass Gott sich so eindeutig zu ihnen bekennen würde, dass auch die schon tätigen Apostel sie anerkennen würden. Das geschah nicht, und schon nach wenigen Tagen unterwarf Apostel Rosochacky sich seinen kirchlichen Vorgesetzten und forderte in einem Brief vom 17. Januar seine Anhänger in Hamburg auf, es ihm gleich zu tun. Statt als Apostel zu wirken, wirkte Rudolf Rosochacky in seiner Heimatgemeinde Königsberg wieder als Ältester und schließlich im Amt eines Engels als Helfer des Vorstehers, bei dem es sich um Eduard Schwarz, den Bruder des Apostels der „neuen Ordnung“ handelte. In der Rückschau erklärte Geyer verbittert, dass Rosochacky in Königsberg „durch die vielen weichlichen Umarmungen der früheren Brüder erweicht und zum Abfall gebracht“ worden sei.
Wie Rosochacky und die Unbekannten, die ebenfalls an ihre Berufung zum Apostel geglaubt hatten, sollten auch die Hamburger Amtsträger Gelegenheit zur Buße erhalten. Dazu hätten sie erklären müssen, dass die Rufungen satanischen Ursprungs seien. Hierzu waren sie nicht bereit. Schwarz, der unter ihm tätige Priester Preuß und mit einer Ausnahme auch die Diakone der Gemeinde blieben bei ihrer ausdrücklichen Anerkennung der rechtmäßigen Rufung des Apostels Rosochacky. Fast die gesamte Gemeinde tat es ihren Amtsträgern gleich.

Apostel Woodhouse blieb nach seinem Verständnis keine Wahl: Er sprach über die gesamte Gemeinde die Exkommunikation aus. So bestand jetzt in Hamburg eine apostolische Gemeinde ohne Apostel.

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