Start mit Hindernissen
Aller Anfang ist schwer. Das galt für Theodor Ackermann und Valentin Schmidt in besonderer Weise. Im Auftrag des damaligen Kirchenleiters Stammapostel Friedrich Krebs reisten die beiden jungen Männer vor 125 Jahren von Thüringen nach Bayern, um neuapostolische Kirchengemeinden zu gründen. In einer Zeit, in der es in Bayern nur der katholischen und der evangelischen Kirche erlaubt war, öffentlich Gottesdienste abzuhalten, ein schwieriges Unterfangen. Doch die beiden neuapostolischen Christen gaben nicht auf. Während sich Theodor Ackermann in Augsburg niederließ, zog Valentin Schmidt nach München.
Heimliche Treffen
Von einem Gottesdienstverbot ließen sich die überzeugten neuapostolischen Christen nicht abhalten. Sie sprachen Menschen an und luden sie ihre Privaträume ein. Getarnt als Kaffeekränzchen wurden dort erste Gottesdienste gefeiert. Die Hostien für das Heilige Abendmahl lagen versteckt unter den Kaffeetassen. Denn immer wieder wurden die Gläubigen von der Polizei kontrolliert, die strikt für die Einhaltung des Gottesdienstverbotes sorgte. Trotzdem konnten die Gesetzeshüter nicht verhindern, dass noch im Jahr 1896 in Augsburg die ersten neuapostolischen Christen versiegelt wurden.
Eine mutige Frau greift ein
Es war schließlich die Frau des Münchner Gemeindevorstehers Valentin Schmidt, die 1905 einen mutigen Schritt wagte. Anastasia Schmidt war Patientin des bekannten adligen „Arztes der Armen“, Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern. Unerschrocken erzählte sie dem Prinzen von ihrem neuapostolischen Glauben und dem Wunsch nach freier Religionsausübung. „Was, und da kommst du ausgerechnet zu mir, einem katholischen Wittelsbacher?“, soll der Arzt entgegnet haben. Doch anschließend half er Anastasia Schmidt bei der Abfassung eines Bittgesuchs und riet der damals 25-Jährigen, das Gesuch am Geburtstag des Prinzregenten einzureichen. Natürlich unter dem absoluten Siegel der Verschwiegenheit. Aber mit Erfolg!
Prinzregent Luitpold von Bayern erlaubt die freie Ausübung der Gottesdienste
Mit Entschließung des königlich-bayerischen Staatsministeriums vom 20. Juli 1906 wurde den Anhängern der neuapostolischen Gemeinde freie Ausübung der Gottesdienste in Bayern erlaubt. Die Mitgliederzahl der Neuapostolischen Kirche wuchs und wuchs. In Augsburg, wo alles ganz klein begann, mussten immer mehr Räume angemietet werden.
Das erste eigene Kirchengebäude in Augsburg
1949 zählte die neuapostolische Gemeinde in Augsburg rund 800 Mitglieder und die Kirchenleitung beschloss den Bau einer eigenen Kirche. Im Oktober 1951 wurde das Kirchengebäude in der Stettenstraße 7 in Augsburg feierlich eingeweiht. Mit mehr als 900 Plätzen ist dies nach wie vor das größte neuapostolische Kirchengebäude in Bayern.
Die Neuapostolische Kirche in Bayern heute
In fast jedem größeren Stadtteil entstand im Laufe der Jahre eine neuapostolische Kirchengemeinde. Nicht nur in Augsburg und München! Knapp 150 neuapostolische Kirchengemeinden gibt es heute in Bayern. Gemeinsam mit 435 Gemeinden in Baden-Württemberg bilden sie die Neuapostolische Kirche Süddeutschland, die von Bezirksapostel Michael Ehrich geleitet wird.
Ein ausführlicher Bericht zu den Anfängen der Neuapostolischen Kirche in Augsburg findet sich auch in unserer Mediathek unter der Rubrik „Rundfunksendungen auf Bayern 2“. Ausgestrahlt wurde dieser im Rahmen der Rundfunksendung am 11. Juli 2021.
Foto „Blick über Augsburg“: © Manuel Schönfeld – stock.adobe.com
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Foto „Bibel mit Kerze und Blumen: © Racamani – stock.adobe.com
Foto „Prinzregent Luitpold von Bayern“: © griangraf – stock.adobe.com